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Bade Wilfrid - Die S.A. erobert Berlin


Author : Bade Wilfrid
Title : Die S.A. erobert Berlin Ein Tatsachenbericht
Year : 1937

Link download : Bade_Wilfrid_-_Die_SA_erobert_Berlin.zip

Der Arbeiter Schulz bummelt langsam durch die Potsdamer Straße. Er macht sich gar nichts aus Bummeln und er macht sich auch gar nichts aus der Potsdamer Straße, er könnte genau so gut irgendwo anders spazieren gehen. Es ist Mittagszeit und es ist ein warmer Herbsttag, aber auch daraus macht er sich nicht viel, höchstens, das er froh ist, noch ohne Mantel gehen zu können. Denn einen Mantel besitzt der Arbeiter Schulz nicht, er besitzt überhaupt nichts, denn er hat seit langem nichts zu tun. Er hat also unendlich viel Zeit. Er kann aufstehen, wann er will und er kann schlafen gehen, wann es ihm paßt, er hat Zeit, auf den Stempelstellen herumzustehen und zu warten, er hat auch genügend Zeit, den endlosen Debatten dort zuzuhören und er hat genug Zeit, sich alles durch den Kopf gehen zu lassen, was er dort hört. Er ist ein nachdenklicher Mensch und durchaus nicht dumm. Er macht sich auf seinen langen Spaziergängen Gedanken über alles, was er sieht und hört. Er betrachtet sich die prachtvollen Läden, in denen prachtvolle Dinge ausgestellt sind, die er sich niemals hatte kaufen können und die er niemals wird kaufen können. Er ist deshalb weiter nicht verstimmt. Leicht verstimmt wird er höchstens wenn er einen gelassenen Blick in die vornehmen und luxuriösen Lokale wirft, in denen schon um diese Tageszeit Gestalten herumsitzen, die ihm zum Kotzen sind. Er hat sich niemals um die Judenfrage gekümmert, sie war ihm schnuppe. Aber ein übles Gefühl steigt bisweilen in ihm hoch, wenn er diese oft jüdischen Gesichter sieht. Er kann sich dieses Gefühl nicht erklären und er will es sich auch nicht erklären, er kann sie nicht leiden und damit fertig. Dicht neben seiner Schlafstelle in der Zoffenerstraße ist so ein heimliches, merkwürdiges Lokal, wo diese Sorte nachts herumwimmelt. Auf seinen Spaziergängen hat er sich, ohne es zu wollen, mancherlei Kenntnisse solcher Lokalitäten erworben, aber er ist noch nicht darauf gekommen, sich richtig deswegen in helle Wut zu versetzen. Manchmal denkt er bescheiden, daß er eigentlich das Recht hätte, wenigstens irgendwo Arbeit zu finden. Die drei Jahre an der Westfront, denkt er, hätten ihm vielleicht das Recht geben können. Er war ja nicht gerade ein hohes Tier dort gewesen, aber wenn ein Vorgesetzter gesagt hatte, er solle dort hingehen, dann war er dort hingegangen, und wenn ein anderer gesagt hatte, er solle irgendwo aushalten, dann hatte er ausgehalten, er war ein einfacher, gehorsamer und getreuer Soldat gewesen, wie viele hunderttausend andere auch, er hatte seine zwei Verwundungen abbekommen und war wieder geheilt worden und rückte wieder aus und war wieder bescheiden, gehorsam und getreu...aber das alles war vorüber und das alles war wohl in der ganzen Welt vergessen und darauf konnte sich niemand mehr berufen. Er schlenderte jetzt über die Potsdamer Brücke. Da liegt auch so ein seltsames Lokal, von dem er weiß, was mit ihm los ist. Um diese Mittagszeit ist es ein bürgerliches solides Wirtshaus, indem man für eine Mark und fünfzig Pfennige ganz ordentlich und eigentlich mehr als ordentlich zu Mittag essen kann. Wenn man genug Geld hat und sich amüsieren will, kann man aber auch abends nach zehn Uhr hingehen und trinken und essen und über dies kann man sich dann noch, wenn man gerade dazu aufgelegt ist, Kokain kaufen. Denn hier ist eine Zentrale der Berliner Kokshändler. Der Arbeiter Schulz hat keine Ahnung, welch einen Spaß das machen könnte, Koks zu schnupfen. Aber selbst wenn er abends nur hineingehen wollte, um ein Glas Wein zu trinken, man würde ihn nicht einmal hineinlassen. Wie wäre das auch möglich! Du lieber Gott! Ein Mann in einer ziemlich ramponierten, gestreiften, schwarzen Hose, einen billigen, grünen Hemd und einer alten Lederjoppe? Ein solcher Gast käme nicht einmal bis zur Tür. Nee, das ist nichts für seinesgleichen. Seinesgleichen wird höchstens gestattet Schmiere zu stehen wenn die feinen Herren nicht gestört sein wollen. ...

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